Das Ableben des Herrn Pfarrer


Auf dem Chateau von Herrn Herbling trug sich erst neulich eine mysteriöse Begebenheit zu, von der ich Ihnen unbedingt erzählen möchte.
Der Dorfpfarrer, welcher erst kürzlich seine katholische Priesterweihe erhalten hatte, sammelte wie jeden Sonntag nach der Predigt Wiesenblumen auf dem örtlichen Weinberg. Ob diese Geschichte wahr ist, das kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ungewöhnlich erscheint es jedenfalls, dass ein so junger Mensch, wie der Herr Pfarrer aus heiterem Himmel dort oben tot umgefallen sein soll. Aber wissen Sie, hinter vorgehaltener Hand, hört man ja doch die eine oder andere Vermutung. Vor einem Monat ist, wie man munkelt, seine Großmutter gestorben, die ihm eine beträchtliche Geldsumme vermacht hat. In ihrem Testament, so meint meine Nachbarin, muss die betuchte alte Dame ihre Erbschaft an gewisse Bedingungen geknüpft haben. Beispielsweise verpflichtet sie den einzigen Erben, unseren Herrn Pfarrer, auf dem Grab ausschließlich Veilchen zu pflanzen. Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, warum gerade Veilchen. Nun, das ist ganz einfach, bei uns auf dem Lande gibt es eine Tradition. Veilchen symbolisieren die absolute Reinheit, im Sinne von Keuschheit. Wenn sich gar jemand Veilchen auf sein Grab setzen lässt dann wird damit zum Ausdruck gebracht, dass man nach dem Tode sich der Keuschheit verschreibt. So etwas soll meist über wilde Ehejahre, so wie bei der Verblichenen, hinweg täuschen. Eine weitere Bedingung ist die Pflege ihrer asiatischen Weichtiersammlung. Wissen Sie, solche Exemplare kann man ja nicht einfach ins Tierheim geben.
Angeblich muss dem Herrn Pfarrer ein Teil ausgebüchst sein und neben der allsonntäglichen Wiesenblumenpflückerei war er auf der Suche nach seinen Ausreißern. Beweisen kann man ja nichts, aber unter seinen Schuhen fand man doch tatsächlich so eine merkwürdig gefärbte schleimige Substanz.
Die Polizei hat bereits nach nur drei Tagen ihre Untersuchung zum Todesfall abgeschlossen, aus Mangel an Indizien. Wenn Sie mich fragen, die werten Herren in ihren grünen Anzügen haben schlampig gearbeitet. In ihrem Bericht schrieben Sie nicht mal ein Wort über dieses Etwas an seinen Schuhen. Aber das ist doch einleuchtend, nun ja zumindest mir und meiner Nachbarin, dass der Herr Pfarrer einen seiner Ausreißer gefunden hat und auf seiner Jagd nach ihnen auf einem Exemplar ausgerutscht ist. Unglücklicherweise ist er dann mit seinem Kopf direkt auf einen harten Stein aufgeschlagen. Die Gerichtsmedizin schrieb über die Todesursache in unserer Zeitung, dass er sofort tot gewesen sein muss. Gott möge ihn selig haben, aber letztendlich werden alle Einzelheiten über das Ableben im Dunkeln bleiben, denn uns glaubt man ja nichts.


© Maro Kusz