Brücke zum Jenseits


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Das Innere der aus massiven Holzstämmen gebauten Hütte wurde erhellt vom Schein mehrerer Petroleumlampen, die an den Wänden ringsum an Haken hingen. Ein helles Feuer knisterte im offenen Kamin und versprach Wärme und Schutz vor eisigen Winternächten.

„So komfortabel habe ich sie gar nicht in Erinnerung“, sagte Sylvia überrascht und wandte den Blick vom Kamin weg zu dem Lager aus einfachen Matratzen, das jetzt mit Schaffellen, Kissen und mehreren Decken einladend hergerichtet war.

„Nur für uns“, antwortete Markus und zog Sylvia zu dem Lager. „Für unsere Liebe. Gott, was habe ich darum gekämpft, dich noch einmal zu sehen, noch einmal in den Armen zu halten, noch einmal lieben zu dürfen.“ Seine Stimme vibrierte vor zärtlicher Erregung, und seine streichelnden Hände und liebkosenden Lippen entfachten in Sylvia ein begehrendes Feuer.

Vergessen war die Zeit der Trauer, der Tränen, der Verzweiflung, vergessen auch die Brücke und der dunkle Fluss, der sie wie ein offener Schlund in ein schwarzes Nichts hinabziehen wollte. Hier bei Markus war das Licht, die Wärme und die Geborgenheit, wie früher - und doch anders.

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Sylvia fuhr hoch, schweißgebadet, mit angstvoll hämmerndem Herzen. Markus ist tot, schoss es ihr durch den Kopf. Aber hatten die Ärzte ihr nicht erst gestern mitgeteilt, er sei außer Lebensgefahr? Hatte sie also nur geträumt, oder...

In panischer Eile schlüpfte sie in Hose und Pullover, schnappte die Autoschlüssel und raste, so schnell es die Straßenverhältnisse zuließen, zur Klinik.

Als sie ankam, begann die Schwärze der Nacht einem ersten Morgengrau zu weichen.

Zitternd vor Angst stolperte Sylvia Treppen hinauf, hastete endlose Flure entlang, bis sie vor seinem Zimmer stand. Die Tür war offen, das Zimmer leer. Sie fuhr sich mit der Hand an die Kehle, glaubte, ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dann drehte sie sich um und rannte den Gang zurück zum Stationszimmer.

„Schwester, wo ist mein Verlobter? Was ist passiert?“

Die diensthabende Schwester sah Sylvia mit berufsmäßig beruhigendem Blick an und sagte ernst: „Kommen Sie bitte mit, ich führe Sie zu Dr. Weber.“

Sie wartete seine Begrüßung kaum ab. In angstvoller Gewissheit brach es aus ihr heraus. „Dr. Weber, sagen Sie mir die Wahrheit. Mein Verlobter ist tot, nicht wahr?“

Der Chefarzt starrte sie betroffen an. „Wie kommen Sie darauf? Aber bitte, meine Liebe, beruhigen Sie sich doch.“ Er führte Sylvia, die nahe daran war, ihre Fassung vollends zu verlieren, zu einem lederbezogenen, weißen Stuhl und drückte sie sanft, aber bestimmt nieder. „Nein - er ist nicht tot. Aber es fehlte nicht viel heute Nacht. Herzstillstand, ganz plötzlich, ohne Vorwarnung. Glücklicherweise hielt sich Schwester Maria gerade bei ihm auf. So konnten wir schnell eingreifen. Und trotzdem - wir befürchteten schon, unsere Bemühungen wären erfolglos. Da begann sein Herz wieder zu schlagen, von ganz allein, ohne unser Zutun.“ Er schüttelte nachdenklich den Kopf. „Es war, als kehrte er zu den Lebenden zurück.“