Literat / Bild des Monats 11.2016

Monatsbild

pixabay - Hans

Hartes Herz - Weicher Stein

Strahlendes Licht
biegsamer Halm
fröhlich sprudelnde Quelle –
so betrat ich die Welt.
Arglos vertrauend
mit der Neugier einer reinen Seele
tat ich die ersten Schritte.
Bald schlugen
Gleichgültigkeit, Ablehnung und Egoismus
erste Wunden,
und das Sprudeln versiegte,
das Licht wurde matt,
und der Halm begann langsam
zu verholzen.
Unverständnis und Projektion lernte ich,
Einsamkeit und Angst,
und ich verbarg meine Verletzlichkeit
unter einer harten Schale.
Ich wurde begehrter Fels in der Brandung,
stark wie ein Gebirge,
Stein, der anderen Sicherheit gab –
und ich war stolz darauf.
Eines Tages zerbrach ich
an mir selbst
und da war nichts –
nichts als ein weinendes Kind.
Entsetzen erfüllte mich,
denn das Urteil der Welt
schalt mich schwach
und das war nicht gefragt.
In meiner Verlorenheit und Einsamkeit
blieb mir nur das Kind,
und in einer Geste der Hilflosigkeit
öffnete ich die Arme.
Da kam es zu mir,
schmiegte sich an mich,
und ich weinte bitterlich
um eines Verlustes willen,
den ich vergessen hatte.
Da lächelte das Kind,
und ein Leuchten überstrahlte
eine sprudelnde Quelle,
an der sich zarte Halme wiegten.
Da verstand ich.
Aufrecht schritt ich
aufs Neue
in die Welt,
und die Menschen spiegelten
an meiner Stärke
sich selbst.
Das Kind in meinem Herzen sang
und die Steine auf meinen Wegen
lächelten.

Rosemai M. Schmidt