Herzkirschen


Die Kinder des Dorfes tummelten sich vergnügt im Wasser des kleinen Baches. “Wozu hast du die Bademütze auf, wenn du gar nicht ins Wasser gehst?“ riefen sie dem kleinen Mädchen spöttisch zu.



Süß sah es aus in seinem weißen Badekleid mit den roten Kirschen darauf, das Oberteil gesmokt, mit einem schmalen Band im Nacken gehalten. Stolz und mit graziösem Gang lief es über den schmalen Steg am Rande des Beckens, um so seine Angst zu verbergen.



Auf der einen Seite drängte der Bach mit lautem Getöse durch das Wehr und fiel dann mehrere Meter tief in ein großes Loch, das sich das Wasser ausgespült hatte. Auf der anderen Seite lag das Becken, das von der Mauer zur Mühle und der Brücke eingefasst war, und so einen idealen Badeplatz für die Kinder darstellte.

Für die größeren Kinder, zu denen es auch gerne gehören würde. Wenn nur der Bach nicht so tief und das viele Wasser ihm nicht so fremd wäre.



Braun, trübe und unergründlich wälzte es sich an ihm vorbei. So klein das Becken auch war, dem Mädchen erschien es wie ein großes, tiefes Meer. „Eigenartig, dass die anderen Kinder gar keine Angst haben“, dachte es sich, unbeachtet, zu sehr war die kleine Bande mit ihrem Spiel beschäftigt.



„Ich trau mich nicht, ich trau mich nicht!“ pochte ihr zaghaftes Herz.

„Ich trau mich nicht, ich trau mich nicht!“ es wusste, dass hier der Spruch noch nicht zu Ende war.



„Ich trau mich nicht, ich trau mich nicht, ich trau mich eben doch!“ rief es sich selbst zu, machte einen großen Schritt und hüpfte ins Wasser, ehe ihm so recht bewusst wurde, was es da tat.



Das Nass umfasste es, spritzte ihm ins Gesicht, erreichte sogar die rote Blume an der Bademütze. Das Mädchen schnappte nach Luft, hielt sich am Rand fest. Geschafft.




© Elisa von Bühel, 24.06.2002