Schaumbad mit Folgen


Mitten im hellen Morgen eines sonntäglichen Sommertages ließ sie sich ein Bad ein, das sie mit Melisse und Orangenblüten ‑ künstlichem Aroma würzte.

Ein Kräuterschaumbadezusatz zur Beruhigung und Entspannung. Sie war auch ganz ruhig, wie sie dalag in der Wanne, umspült von duftendem Wasser und knisterndem Schaum, der ihren Körper mit bizarr luftig ‑ zarten Häubchen bedeckte. Eine Wolkenlandschaft, die nach und nach ihre Mächtigkeit verlor und im Wasser zerplatzte wie Träume, die versinken, so daß man glauben könnte, es hätte sie nie gegeben. Und doch gab es sie.

Einer dieser Träume hieß Joachim, zweifellos ein Märchen, wenngleich vor kurzem schon ausgeträumt. Oder doch nicht?

Während sie gedankenverloren mit ihrem Fuß die Schaumlandschaft veränderte, öffnete sich leise die Tür zum Badezimmer.

Ein strahlendes Lächeln lag auf seinem Gesicht. "Soll ich dir den Rücken einseifen? Oder die Haare waschen, Liebling?" fragte er im Näherkommen, setzte sich auf den Badewannenrand und suchte mit seiner Hand spielerisch ihren Körper unter dem Schaumteppich zu ertasten. "Aber, aber...", stotterte sie und blickte ihn verwirrt an.

Ja, es war wie sie es kannte. Wie oft hatte sie seine liebevolle Fürsorge genossen. Schnell kämpfte sie ihre aufkommende Unruhe nieder, reichte ihm nach unmerklichem Zögern lächelnd das Shampoo, setzte sich in der Wanne zurecht mit dem Rücken zu ihm und schloß die Augen in Erwartung einer zärtlichen Kopfmassage. Sie hörte, wie er den Schraubverschluß der Flasche öffnete und spürte die kühle zähe Flüssigkeit des Shampoos auf ihrer Kopfhaut. Warum ließ er sich soviel Zeit? Sie seufzte leicht ungeduldig, öffnete die Augen und wandte sich ihm zu.

Ein eisiger Schrecken durchfuhr sie. Sein Gesicht war zur haßerfüllten Maske verzerrt, sein starrer Blick schien sich in ihre Haut einzubrennen, seine Hände schienen mitten in ihrer Bewegung innezuhalten. Und dann ging alles sehr schnell. Er packte ihr Haar, riß ihren Kopf nach hinten und warf sich mit aller Kraft auf sie, um sie unter Wasser zu drücken. „Hast du gedacht, du könntest mich umbringen,“ zischte er mit zusammengepreßten Lippen und umklammerte sie mit stahlhartem Griff. Sie geriet in Panik, versuchte sich aus dieser tödlichen Umarmung zu winden, strampelte mit den Beinen, wollte schreien, schluckte Wasser ‑ Seifenwasser, und endlich, nach fast aussichtslosem Kampf gelang es ihr sich zu befreien.

Ihr Herz raste vor Angst. Mühsam öffnete sie die Augen und setzte sich auf. Sie zitterte.

Draußen aber schien die Sonne wie zuvor, das Brummen eines Flugzeuges war zu hören, Vögel zwitscherten. Eine friedliche Ruhe lag über allen Dingen, die sie in ihrer Benommenheit wahrnahm.

„Ein häßlicher Traum", sagte sie laut zu sich, als könne sie auf diese Weise Schatten eines Schreckgespenstes vertreiben. „Sogar ein recht häßlicher Traum," fügte sie nun wesentlich lauter hinzu und versuchte, ihr inneres Gleichgewicht wiederzufinden. „Ich muß eingenickt sein!" Sie schüttelte sich.

Mit einem Seufzer der Erleichterung lehnte sie sich in der Wanne zurück und dachte an Joachim.

Er lag höchst friedlich und äußerst ruhig nebenan auf dem Sofa und würde mit Engelsgeduld ‑ sie kicherte ‑ warten, bis sie aus dem Bad zu ihm ins Zimmer huschen würde. Sie würde sich hübsch anziehen, sorgfältig schminken, ihm einen Bademantel überwerfen und den Notarzt anrufen.

Der hätte freilich nicht viel zu tun. Die Sache mit dem alten Föhn im Badewasser war schon fast zu simpel, um nicht glaubhaft zu sein.

Sie lachte bitter. Joachim wollte ‑ ebenfalls eine simple Sache ‑ ihr Verhältnis beenden und sie verlassen. Nun, das hatte er auch getan, und zwar endgültig.

Zuvor hatte er ein letztes Bad genommen, ein pflegendes Kräuterbad für empfindliche Haut.

Wie sich der Schaum an seinen Körper geschmiegt hatte. Wie arglos er sich von ihr ein letztes Mal die Haare waschen ließ. Tränen der Rührung stiegen in ihr auf.

Eine schöne Erinnerung, wenn man vom Rest absieht, vom Tumult im Badewasser, vom aggressiven Geröhre des Föhns und der darauffolgenden absoluten Stille.



Lili Horn