Leseprobe 

Menschen im Hotel


Da sitzen sie nun, die blassen Gesichter,
in weichen, vornehmen Sofas und Sesseln!
Dort drüben, der alternde, kränkliche Richter,
der vorgibt, Gespräche würden ihn fesseln,
und trauern nach den vergangenen Jahren,
als sie auch einmal jünger waren.
Sie steh'n mit gefüllten Gläsern herum,
ein merkwürdig steifes Panoptikum!
Sie wahren alle krampfhaft den Schein,
und jeder für sich ist so furchtbar allein.

Und Ihre Gespräche: "Ach, bitte, gnä' Frau",
oder dort drüben: "Oh, Alfred, schau,
siehst du das Seidenkleid von Frau Lauffen?
Wie kann man sich bloß so etwas kaufen",
sind wie sie alle, leblos und kalt.
Und auch die Jüngeren sind schon so alt.

Man spricht noch ein wenig von Politik
und geht dann auf sein Zimmer zurück,
wo man diese Gesellschaft vergisst
und wenigstens etwas man selber ist.

Nachmittags geht man dann spazieren,
dorthin wo alle defilieren,
um ihre Garderoben zu zeigen,
vornehm sich voreinander zu neigen,
ein wenig über das Wetter zu reden,
spöttisch betrachtend einen jeden,
der nicht so ganz der Norm entspricht,
erkennt auch hie und da ein Gesicht.
Alle wahren auch hier den Schein
und sind im Grunde schrecklich allein.

Bald wird's dann Abend und man geht schnell
zurück zu den Menschen ins Hotel.

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