Die Kunst ohne Auto mobil zu sein


Seit einigen Tagen bin ich stolze Besitzerin eines neuen Fahrrads. Unsere Haushaltskasse hatte sich lange gewehrt, schließlich aber doch den Batzen Geld herausgerückt, der für die Anschaffung notwendig war. Mein Mountainbike hat Reifen, bei denen ich nicht befürchten muss, im nassen Matsch auszurutschen und in demselben zu landen und einundzwanzig Gänge. Damit bewältige ich die steil ansteigende Straße zu unserer Wohnsiedlung recht locker. Von nun an wollen wir Umweltbewusstsein praktizieren und das Auto in der Garage stehen lassen.

Als ersten Ausflug plane ich meine Freundin zu besuchen, die in einem Vorort am anderen Ende der Stadt wohnt. Um die Sicherheit ihrer Enkel zu gewährleisten, hatten Oma und Opa in einen zweirädrigen Anhänger investiert, der am Fahrradrahmen montiert wird. Unsere Haushaltskasse verweigerte nämlich diese Anschaffung kategorisch. Christian und Dominik, fünf und dreieinhalb Jahre alt, finden die Sache ungemein spannend und bombardieren mich mit tausend Fragen, während ich ihnen die ebenfalls neu angeschafften Helme aufsetze und sie vorschriftsmäßig angurte. Jetzt kann's losgehen.

Ein Mülleimer, der wohl geleert, aber noch nicht weggeräumt ist, zwingt mich, auf die Fußgängerseite auszuweichen. Vorschriftsmäßig signalisiere ich mein Vorhaben mit der Fahrradklingel. Der ältere Mann, den ich warnen wollte, fährt aufgeschreckt herum, fasst sich mit der rechten Hand an die Stelle der Brust, wo er sein Herz vermutet und schimpft lautstark über die Rücksichtslosigkeit der Fahrradfahrer. Kopfschüttelnd murmle ich eine Entschuldigung und steuere mein Gefährt zwischen seinem Gezeter und dem Mülleimer hindurch....

An einer Kreuzung mitten in der Stadt ist der Radweg plötzlich zu Ende, und meine Familienkutsche blockiert fast die gesamte Breite des Fußgängerwegs. Natürlich dauert es nur Sekunden, bis sich Passanten über das Hindernis beschweren. Ich fühle mich zu einer raschen Entscheidung gedrängt: Soll ich auf dem Gehweg weiter fahren oder muss ich auf die Straße ausweichen? Weder das eine noch das andere scheint mir empfehlenswert, aber eine dritte Möglichkeit gibt es nicht. Da ich die vor mir hastenden Menschen nicht mit ständigem Klingeln erschrecken will, wähle ich die Straße.

Das hätte ich besser nicht getan!