Literat / Bild des Monats 05.2012
Birgit Korell-Sampaio
Waldeslust
Das Wandern soll des Müllers Lust sein. Obwohl ich keinen kenne, selbst nichts mit diesem Berufsstand zu tun habe, empfinde ich gerade jetzt zu Vorfrühlingsbeginn einen unbezähmbaren Drang danach, meine Schritte quer durch die schweigenden Wälder unserer Umgebung zu lenken.
Der Schnee ist verschwunden, schmelzwassergefüllte Gräben und schlammige Wege stören meine Bewegungsfreude nicht im mindesten.
Über mir kreist der rote Milan. Er ist aus seinem Winterquartier zurückgekehrt. Ich kenne ihn vom letzten Jahr, begrüße ihn laut. Er heißt Hühnchen, hatte er doch in kargen Zeiten gern mein Katzenfutterangebot angenommen und auf der Nachbarswiese aufgepickt.
Spaziergänger drehen sich nach mir um. Was soll’s.
Ich bin vergnügt und stimme ein Lied an, ganz allein für mich mit Strophen, die es nicht gibt. Was soll’s.
Ich heiße alles willkommen, was mir begegnet.
Gänseblümchen hocken tief im Gras und blicken keck der Sonne entgegen. Huflattich lockt die ersten Bienen. Weidenkätzchen entfalten sich, und dicke Baumknospen warten still auf das Kommando zum Aufbruch.
Ja – die Natur steckt in den Startlöchern. Der Reigen beginnt auf’s Neue –
Und ich bin dabei.
Birgit Korell-Sampaio