Das Paket
Es kam mit der Morgenpost: ein ganz normal aussehendes Paket in braunem Packpapier und verschnürt mit derber Doppelschnur. Es unterschied sich in nichts von den Tausenden anderer Pakete, wie sie die Postboten täglich austragen. Mit diesem aber hatte es eine besondere Bewandtnis â eine ganz besondere.
\"Schau Peer\", rief Karla, \"ein Paket für dich\" \"Ja?\" Peer war ganz aufgeregt. \"Von wem denn?\" \"Es ist kein Absender darauf.\" Seit Papa vor vier Wochen weggegangen war, ohne dass ihm jemand sagen wollte, wohin, war der Kleine nicht mehr so aufgeregt gewesen. Karla brachte eine Schere, mit der sich der Junge vergeblich abmühte, dabei war er schon sechs Jahre alt und sooo stark! \"Die Schnur ist zu fest\", murrte Peer, \"Mama, mach du mal.\" Das Kind wurde ganz kribbelig vor Spannung. Endlich lagen Packpapier und Schnur am Boden. Peer hob mit bebenden Fingern den Deckel. Leer! \"Ooch, Mama, da ist ja gar nichts drin!\" Er meinte ohnmächtig werden zu müssen vor Enttäuschung. Karla blickte erstaunt in den Karton. Kopfschüttelnd drehte sie ihn um. Plöngg! Ein flacher, grauer Stein fiel auf den Boden, wie Peer schon viele gesehen hatte. Er hob ihn auf. \"Was war denn das\", murmelte Karla verstört, \"erst war da gar nichts und dann ...“ Vorsichtig nahm sie den Karton, schüttelte und betastete ihn von innen und außen. \"Nichts\", sagte sie mit Nachdruck, \"garantiert nichts!\" Dann drehte sie ihn entschlossen um. \"Nichts! Ich dachte schon ...“ Fssst! Sanft wie ein welkes Blatt schwebte ein Stück Papier aus dem Karton heraus auf den Boden, offensichtlich ein Brief. Karla wurde blass. \"Das ist ja unheimlich\", flüsterte sie. \"Der ist bestimmt von Papa\", rief Peer glücklich, \"lies vor, Mama. Bitte, lies vor.\"
Karla war schneeweiß geworden. Geistesabwesend las sie:
Lieber Peer!
Seit vier Wochen bin ich hier. Sie haben mich zum König gewählt. Ich hab\' solche Sehnsucht nach Dir und Karla. Wollt ihr nicht kommen? Es ist schöner hier als alles, was Du je gesehen hast. Ich warte auf euch.
Dein Papa
\"Och, Mama, Mama! Von Papa! Ich hab\'s so gehofft, dass er schreibt, so sehr!\" Karla ging in die Hocke. \"Peer\", sagte sie beschwörend, \"Peer, dein Papa ist tot. Er kann gar nicht geschrieben haben. Ich weiß nicht, wer sich diesen üblen Scherz erlaubt hat. Aber Papa ist tot. Verstehst du Peer?\" \"Tote Leute schreiben nicht\", sagte Peer eigensinnig, \"ich will zu Papa.\"
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