Literat / Bild des Monats 03.2013
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Lilith
Und es war der sechste Tag.
Nachdem also GOTT zuerst Licht und Schatten geschaffen und das Land vom Meer getrennt hatte,
nachdem er auf dem so entstandenen Land Bäume verschiedener Art und Gras hatte wachsen lassen,
bevölkerte er dieses mit Tieren.
Auf dem Land sah man bald Löwen, Giraffen und viel anderes Getier,
im Meer schwammen Fische in verschiedenen Größen und Farben, so der riesige Wal und der blaue Delphin.
Den Vögeln gab er den Himmel als Raum.
Erst jetzt erschuf GOTT Lilith nach seinem Ebenbild und hauchte ihr seinen Atem ein.
Siehe da, sie war schön, die hohe klare Stirn, dahinter kluge Gedanken versammelt, anmutig und auch kraftvoll der Körper.
Und wie schon bei den Tieren, als GOTT dem Weibchen jeweils einen männlichen Widerpart zum Genuss und zur Fortpflanzung beigesellt hatte,
schuf GOTT Adam.
Und beide hatten Freude aneinander und lebten glücklich zusammen im Garten Eden.
Sie konnten von allen Früchten des Paradieses essen, nur nicht die des Apfelbaumes, der in der Mitte des Gartens wuchs.
GOTT hatte Lilith bei ihrer Erschaffung auch viel Eigensinn beigegeben und so war diese sich oft selbst genug.
Viele Tage und Nächte verbrachte sie bei den Tieren und unterhielt sich mit diesen und mit den Engeln, die sie dort gerne besuchten.
Adam jedoch fühlte sich dann einsam. Deshalb bat er GOTT um eine andere Gefährtin und GOTT gewährte ihm diesen Wunsch.
Er schuf Eva aus einer Rippe Adams. So hatte Adam neben Lilith eine weitere Partnerin. Und Lilith sah in Eva eine Schwester.
Alle drei liebten sich innig.
Doch hatte die Schlange den Eingang in das Paradies gefunden. Eines Tages suchte sie Adam auf und flüsterte ihm ein,
dass, wenn er einen Apfel des verbotenen Baumes äße, er mächtig und stark würde wie GOTT.
Von dieser Begegnung und dem Versprechen berichtete Adam seinen beiden Gefährtinnen.
Lilith weigerte sich sogleich, Adam am nächsten Tag zum verbotenen Baum zu begleiten,
doch Eva machte sich mit ihm auf dem Weg.
Dort angekommen waren sie überrascht von der Mächtigkeit des Baumes, an dem viele rote Äpfel hingen.
Adam forderte Eva auf, einen der Äpfel zu brechen, was diese tat.
Beide aßen von der verbotenen Frucht und erschraken, denn sie erkannten jetzt, dass sie von da an sterblich waren und verwundbar.
Angstvoll rannten sie in das gemeinsame Lager, wo Lilith sie schon erwartete.
Aller Glanz war in ihren Augen erloschen und Furcht beherrschte jetzt die beiden, und sie schämten sich vor Lilith,
so dass sie ihre Scham bedeckten. Sie verstanden auch die Sprache der Tiere nicht mehr.
Bald kam auch der Engel und vertrieb Adam und Eva aus dem Paradies.
Und Lilith blieb ohne ihre Gefährten zurück.
Darum gewährte GOTT ihr die Freiheit, im Paradies zu bleiben, doch sie könne auch in die Welt Adams und Evas übergehen,
jeweils für die Lebensspanne eines Menschen, indem sie ein ungeborenes Menschenkind beseele.
Und sie würde, mit dessen Tod, immer wieder in den Garten Eden zurückkehren. So bliebe sie unsterblich.
Wenn nun starke und kluge Frauen in der Menschenwelt auftreten und herausleuchten, könnte es sein, dass es Lilith ist,
die in diese Welt hineinwirkt, damit sie dem verlorenen Paradies wieder etwas ähnlicher wird.
Walter Milos