Literat / Bild des Monats 06.2023

Monatsbild

Einmal Mailand - Angkor Wat ohne Umsteigen

Da war vor drei Jahren damals die Tickermeldung auf bild.de, die mich förmlich ansprang:
„Drei deutsche Schüler in Mailand vermisst.“
Meist öffne ich so was nicht, aber diesmal klickte ich auf den Lesen-Button. Ich kann selbst nicht sagen, weshalb, denn „Bild“ ist eigentlich nicht mein Niveau.
Der Artikel war bestürzend. Eine Abiturklasse auf Abifahrt in Italien. Das ist nichts weltbewegend Neues.
Wenn jedoch im Mailänder Dom drei Schüler, allesamt vernünftige Knaben, durch die Tür einer kleinen Seitenkapelle treten und anschließend weder dort drin zu finden sind, noch jemals wieder herauskommen, dann ist das mehr als bestürzend, zumal wenn es eine Kapelle ist, die nur diese eine Tür hat.
Der Lehrer möchte ich nicht sein. Zwar war ihm nichts vorzuwerfen, aber … na ja. Ich bin selber einer, ich kenn mich aus. Schlimm so was! Ach ja, die Schüler blieben übrigens verschwunden.
Dieses Jahr im Juni war ich in Kambodscha, unter anderem in Angkor Watt. Beeindruckend, sag ich Ihnen. Nicht so beeindruckend aber, wie das, was dort passierte:
Ich will gerade durch ein gewaltiges Tor in einen Tempel treten, als ich über den Haufen gerannt werde. Ein paar Typen stürmen aus dem Tempel nach draußen, in heller Aufregung, knallen mit mir zusammen, und ich schlage lang hin.
Irgendjemand fällt auf mich drauf. Zu meiner Verblüffung schreit der auf Deutsch: „Scheiße! Scheiße! Scheiße!“
Ich rapple mich hoch und schaue die jungen Männer verwirrt an. „Äh …!“, beginne ich, werde jedoch unterbrochen.
„Scheiße, was ist hier los? Das ist doch nicht Mailand! Das ist … was auch immer!“ Ein anderer rüttelt mich an der Schulter: „Beg your pardon, Sir …“
Diesmal unterbreche ich: „Kannst deutsch reden, ich bin Deutscher.“ Stille. „Hä?“, fragt einer. Wieder Stille. Verwirrte Blicke.
Da erst kommt mir ein Verdacht, der so ungeheuerlich ist, dass ich erstmal an meinem Verstand zweifle. Aber … was soll’s … „Sagt mal, Jungs, seid ihr auf Abifahrt?“
Alle drei nicken eifrig. „Ja“, sagt der dritte, „ja. Und wir wollten doch nur die Kapelle anschauen, aber …“
„Geschenkt“, sage ich, „ich weiß Bescheid.“ Die Blicke werden noch ratloser.
Was soll ich sagen: Sie hätten mal sehen sollen, was los war, als wir in der deutschen Botschaft in Phnom Penh ankamen. Meine Fresse!
In Deutschland war’s dann nicht so toll. Die Pressefritzen waren nicht wegzukriegen. Am Schlimmsten die von Bild.
Aber das erwähnte ich ja schon: Bild ist nicht wirklich so mein Ding.

Rosemai M. Schmidt