Literat / Bild des Monats 04.2008

Monatsbild

Maro Kusz

Der Schirm

"Immer der Sonne entgegen", sagte Fritz fast trotzig, der selbst bei schönstem Wetter seinen Begleiter mit sich trug. In der Stadt war er zum Gespräch Nr. 1 avanciert. Einige belächelten ihn höhnisch, andere bewunderten „das Paar“ mit dem unbestreitbaren Charme.

Herr Klemperer, der örtlich bekannteste Seelendoktor hatte dazu seine eigene Theorie entwickelt. Laut seiner These lebe Fritz hierin seine unterdrückte Kindheit aus, und er mache stellvertretend in dem Schirm, welcher seine dominante Mutter symbolisiere, diese lächerlich, um sich dadurch über sie hinwegsetzen zu können. Der Ödipus Komplex solle ihm, selbst nach dem Tode seiner werten Frau Mama, noch immer anhaften, wie ein alter Regenmantel, welchen man lieb gewonnen habe nicht ausrangieren könne.

Frau Wunderlich-Hochmut hingegen, welche unter uns gesagt, für den Fritz schwärmte, war von dem gelb-gepunkteten ständigen Begleiter derart fasziniert und hingerissen, dass sie die  hiervon ausgehende allgemeine Belustigung gar nicht wahrnahm. Am liebsten hätte sie sich das gleiche Modell besorgt, um im Pseudo-Partner-Look mit dem Angebeteten durch die Strassen und Gassen zu schlendern.

Andere wiederum meinten, das stählerne Gestell würde zweifelsohne gegen kosmische Strahlung schirmen oder einfach nur ein strahlungsfreies Vakuum um seinen Kopf schaffen.

Natürlich traf keine der Theorien zu. Fritz lächelte in sich hinein, als ob er sie alle kennen würde und vollendete heiter seinen Sonntagsspaziergang.

Maro Kusz