Literat / Bild des Monats 08.2008
Maro Kusz
Unverhofftes Glück
„Menschen sollten sich trennen, wenn die Beziehung nicht mehr im Zenit der Liebe steht. Aber was kann ich Ihnen da Neues berichten, wo Sie, verehrter Herr Raisser, diesen Schritt aus Ihrer beendeten Beziehung doch schon längst getan haben?“ Was genau hinter seiner gerunzelten Stirn vorging, konnte niemand sagen. Eines ist gewiss, wenn Männer diesen bestimmten Blick aufsetzen, ist es für Frauen eindeutig, dass sie sich wieder einmal in ihr Schneckenhaus verkriechen wollen.“
„Werte Frau Wunderlich, wahrlich ich habe den Ast meiner Beziehung nach fast dreißig Jahren abgesägt. Das war unumgänglich und mehr als höchste Zeit. Es hat über das menschlich Ertragbare hinaus gedauert. Mein Nachbar, der Herr Hämmerle und seine Frau hingegen sind bereits schon über fünfzig Jahre miteinander verheiratet. Wenn Sie mich fragen, sind die in ihrer Ehe erstarrt. Stellen Sie sich mal vor, die beiden haben seit mehr als einem Jahr nichts miteinander gesprochen! Aber plötzlich hat sich gestern doch etwas getan – sie schwammen im Glück trauter Eintracht. Vielleicht meinen Sie jetzt, dass sie endlich aufeinander zugegangen sind. Keineswegs! Dazu wäre ein Wunder vonnöten gewesen. Liebe Frau Nachbarin, ich möchte Sie nicht länger auf die Folter spannen. Ob Sie es glauben oder nicht, an ihrem Glück waren halluzinogene Pilze Schuld! Selbstgesammelte.“
"Unverhofft in glücklicher Beziehung, wenn auch nur für einen Tag", schmunzelte Frau Wunderlich, keineswegs erstaunt.
Maro Kusz